Balkongarten: Gemüse selbst anbauen auf kleinem Raum

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Gärtnern finde ich total inspirierend und beruhigend. Schon während des Studiums stellte ich meinen kleinen Großstadtbalkon und alle Fensterbretter voll mit Töpfen für Tomaten, Erdbeeren und Gurken. Sogar mein erstes Buch, das ich zusammen mit meinem Herrn G. geschrieben habe, beschäftigt sich mit diesem Thema: Das Balkonkochbuch (s.u.) wird zwar längst nicht mehr verlegt, aber ist irgendwie aktueller denn je. Inzwischen ist Urban Gardening längst ein Trend. Selbst überzeugte Stadtbewohner spüren, dass in Erde buddeln, an Blättern zupfen, Früchte ernten die Lebensqualität steigert. Klar, ein eigener Garten vor dem Haus oder ein Schrebergarten sind natürlich toll, doch Ihr könnt eben auch auf einem kleinen Balkon oder sogar auf Fensterbrettern Eure grüne Oase schaffen. Hauptsache es wächst und ist am Ende essbar.

Gemüse auf dem Balkon anbauen – so geht’s

Den Gang zum Bioladen oder Wochenmarkt ersetzt die Balkonernte meistens nicht, doch das eine oder andere Gericht lässt sich schon mit dem Selbstangebauten bestreiten. Nichts geht außerdem über das Gefühl, eine quasi noch zuckende, weil gerade erst geerntete Tomate zu verspeisen. Vor allem aber könnt Ihr die Pflanzen-Beim-Wachsen-Zuseh-Meditation praktizieren – eine Königsdisziplin in schwierigen Zeiten, wie wir sie zum Beispiel gerade mit der Corona-Krise erleben. Und gegenüber einem Garten hat der Balkon sogar ein paar entscheidende Vorteile: Hier könnt Ihr so biologisch wie möglich eure Töpfe beackern, denn Ihr habt die Bodenqualität selbst in der Hand. Außerdem gibt’s auf dem Balkon keine Schnecken, die in Gärten oft die zarte Ernte gleich wieder wegfressen. Wenn Ihr Euch im Sommer langweilt, weil dieses Jahr wohl für uns alle der Auslandsurlaub gestrichen ist, könnt Ihr Euch auf Eurem Gemüsebalkon super beschäftigen. Und gleichzeitig super entspannen, denn im Gegensatz zum richtigen Nutzgarten, wo einem die Arbeit schnell mal über den Kopf wachsen kann, ist das Ganze im Balkongarten überschaubar.

1. Was wächst gut auf dem Balkon?

Eins vorab: Nicht jeder Balkon ist gleich gut geeignet für alle Pflanzen. Auf einem Balkon Richtung Norden gedeihen höchstes ein paar Kräuter wie Schnittlauch oder Dill, reine Südseite wiederum kann extrem heiß werden im Sommer. Generell ist es auf dem Balkon ja auch noch wärmer als in einem Garten, zumal in der Stadt. Das ist dann höchstens was für Tomaten. Für die allermeisten Pflanzen ideal ist in punkto Sonne ein Südwest- oder Südostbalkon.

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Kräuter gehen immer

Sie sind der Klassiker für Balkon und Fensterbrett und bestens geeignet für Einsteiger in die Balkongärtnerei. Mittelmeergewächse wie Salbei, Lavendel, Rosmarin oder Thymian brauchen viel Sonne und trockenen, sandigen Boden (Tipp: Blumenerde mit Vogelsand mischen), sind ansonsten aber anspruchslos und winterhart. Kleine Pflänzchen kaufen, die Aufzucht aus Samen ist mühselig. Auch Minze oder Zitronenmelisse erst einmal im Töpfchen kaufen, die fangen dann aber schön an zu wuchern und kommen jedes Jahr wieder. Wenn man Erde samt Wurzeln im Topf lässt. Das kann auch bei Schnittlauch passieren. Basilikum und Petersilie müsst Ihr jedes Jahr neu pflanzen.

Gemüse für Anfänger

Radieschen, Pflücksalat (z.B. Rucola, Lollo Rosso), Spinat und Mangold wachsen quasi von alleine. Einfach zwischen März und September immer wieder vorgezogene Pflänzchen setzen, so dass Ihr die ganze Saison über ernten könnt. Nach jeweils 4-6 Wochen könnt Ihr Euch die ersten Blätter schmecken lassen.

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Tomaten für alle

Bei Gemüse sind Tomaten allererste Wahl. Sie wachsen schnell, zuverlässig und zahlreich. Der Selbstversorger-Aspekt des Balkongärtnerns, sonst eher ein symbolischer, hier wird er real: Geschickt angebaut, müsst Ihr im Sommer fast keine Tomaten dazukaufen. Für den Balkonanbau am besten kleinwüchsige Sorten wählen wie Mini- oder Buschtomaten. Ich mag auch die kleinen, gelben Birnentomaten sehr. Gerade bei Tomaten gibt’s eine riesengroße Sortenvielfalt! Kauft die Jungpflanzen am besten bei einem guten Bio-Gärtner, der auch schöne, alte Sorten anbietet (wenn Ihr dann im nächsten Jahr schon richtig infiziert seid von der Gemüse-Gärtnerei, könnt Ihr Eure Pflanzen ab Ende Februar auch selbst aus Samen vorziehen. Aber dazu nächstes Jahr mehr…)Tomaten wollen einen Platz an der Sonne. Viel Wasser und reichlich Dünger machen ihr Glück perfekt. Tomatenpflanzen nie von oben gießen – nasse Blätter begünstigen die gefürchtete Kraut- und Braunfäule. Neben jede Pflanze einen Holz- oder Drahtstab in den Boden stecken, an dem die Pflanze festgebunden wird. Nur zwei, höchstens drei Haupttriebe pro Pflanze wachsen lassen, die aus den Blattachseln sprießenden Seitentriebe regelmäßig ausbrechen, also „ausgeizen“.

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Wachstumswunder: Zucchini

Wächst schnell und überwuchert gerne mal alles. Deshalb gut überlegen, wo sie wachsen darf und ihre Früchte schon ernten, wenn sie noch recht klein sind – nicht, dass eine überdimensionierte Frucht mal den Balkon runtersaust und Schaden anrichtet. Auch Zucchini braucht viel Wasser und Nährstoffe.

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Ein bisschen Obst muss sein

Him- oder Brombeeren stehen jedem Balkon gut. Einige Erdbeersorten eignen sich gut für Hängeampeln. Und sogar mit Apfel oder Birne könnt Ihr es versuchen, und zwar in Form von sogenanntem Zwerg- oder Säulenobst. Das sind meistens speziell gezüchtete Sorten, die besonders schlank in die Höhe wachsen.

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Nicht nur dekorativ: Blumen

Auf jeden Fall solltet Ihr zwischen Eure Gemüsepflanzen ein paar Sommerblumen säen. Die geben nicht nur hübsche Farbtupfer, sondern auch Bienen freuen sich über ihren Nektar und Vögel später über ihre Samen und Kerne: Sonnenblumen wachsen schnell, Ringelblumen verbessern den Boden, Kapuzinerkresse hält Läuse fern. Ich persönlich liebe auch die duftigen, pinken Kosmeen sehr oder das schöne Blau von Kornblumen oder Stockrosen, die ein romantisches Bauerngarten-Flair verbreiten. Bienenfreundlich sind vor allem alte, ungefüllte Blumensorten. Was Ihr sonst noch tun könnt, damit sich Bienen wohl fühlen, habe ich mal in einem Artikel beschrieben. Viele Blumen sind auch für uns kulinarisch interessant wie Kapuzinerkresse, Gewürztagetes, Ringelblume, Borretsch, wilde Stiefmütterchen, Kornblumen. Sie geben einen aromatischen Kick und sind eine tolle Deko auf Salaten, Suppen oder der Breakfast Bowl.

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2. Wer neben wem? Gute Nachbarn im Balkonkasten

Manche Pflanzen sind Freunde und unterstützen sich gegenseitig in ihrem Wachstum und bei der Bekämpfung von Schädligen, deshalb könnt Ihr sie gut nebeneinander setzen: zum Beispiel Möhre und Zwiebel, Basilikum und Tomaten, Fenchel und Salat. Andere vertragen sich nicht so gut wie Tomaten und Kartoffeln oder Möhren und Petersilie. Es heißt auch, dass mehrjährige Kräuter im großen und Ganzen nicht so gut neben einjährige passen, weil sie im Gegensatz zu den einjährigen einen festen Standort bevorzugen.

3. Gute Erde, gutes Wachstum

Beim Einpflanzen könnt Ihr einfache Blumenerde nehmen. Manche Pflanzen wie die meisten Kräuter und Salate brauchen weniger Nährstoffe als andere. Daneben gibt es die sogenannten Starkzehrer, die regelmäßig und reichlich Nährstoffe brauchen. Dazu gehören Tomaten, Zucchini, Kartoffeln oder Paprika. Die solltet ihr alle 2-3 Wochen düngen, am besten mit einem biologischen Dünger mit Phospatanteil. Natürlich ist auf dem Balkon kein Platz für ein Komposthaufen, aber für die besonders Experimentierfreudigen unter Euch: richtig cool ist eine sogenannte Wurmkiste. Die bekommt Ihr im Fachhandel oder Ihr baut sie Euch selbst. Da kommen Kompostwürmer rein und Eure Bioabfälle aus dem Hausmüll – und am Ende habt Ihr super Regenwurm-Hummus als Dünger.

4. Richtig Wässern

Klar, alle Pflanzen brauchen Wasser. Manche mehr (Gemüse), manche weniger (Mittelmeerkräuter). Wie der Wasserbedarf gerade ist, seht Ihr den Pflanzen meistens an: wenn die Blätter schlapp herunterhängen, brauchen sie Wasser. Zu feucht sollten Pflanzen aber auch nicht gehalten werden. Lasst die Erdoberfläche ruhig richtig trocken werden, bevor Ihr wieder gießt. Steckt den Finger in die Erde – wenn die oberen Zentimeter ganz trocken sind, ist es Zeit. Ausnahme: Saaten und frisch gesetzte Jungpflanzen müssen immer leicht feucht gehalten werden. Gießt am besten morgens oder am frühen Abend, niemals in der prallen Mittagssonne. Nehmt lauwarmes, am besten in der Gießkanne schon abgestandenes Wasser. Gießt immer direkt am Wurzelbereich, nicht über die oberirdischen Pflanzenteile. Achtet darauf, dass das Wasser nicht auf den Balkon unter Euch  regnet – auf jeden Fall nicht, wenn Euer Nachbar dort gerade sitzt oder seine Wäsche trocknet. Bedenkt, dass viele winterfeste Pflanzen (z.B. Mittelmeerkräuter, Rosen) auch im Winter ab und zu ein bisschen gegossen werden müssen – wenn es nicht gerade total Frost hat. Viele Pflanzen erfrieren im Winter nicht, sondern vertrocknen, weil man vergißt, sie zu wässern.

5. Knappe Anbaufläche – in die Höhe gärtnern

Platz ist auf dem Balkon ein Hauptproblem. Deshalb alle Ebenen nutzen – Töpfe auf dem Boden, Kästen am Geländer, Regale vor der Hauswand, Hängeampeln. Perfekt für den Balkon sind auch rankende Gewächse wie Feuerbohnen. An einer Rankhilfe wachsen sie einfach nach oben, sind ein guter Sichtschutz und zudem dekorativ mit ihren roten Blüten. Von der Ernte im Herbst ganz abgesehen. Gemüse will viel Wasser, Nährstoffe und viel Erde, die es durchwurzeln kann. Deshalb brauchen sie große Gefäße. Eine normalwüchsige Tomate zum Beispiel braucht mindestes 40 cm Tiefe.

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Aber bevor Ihr Euren Balkon total vollstellt: Unbedingt klären, wieviel Gewicht das gute Stück aushält. Große Kübel mit Erde bringen eine Menge Kilos auf die Waage, ganz zu schweigen von Hochbeeten. Deshalb sind für den Balkon eher leichte Pflanzgefäße aus Kunststoff zu empfehlen. In denen hält sich auch die Feuchtigkeit besser als in – zugegeben – hübscheren Terrakottatöpfen. In die nur Pflanzen setzen, die ab und zu Trockenheit vertragen. Eine Alternative sind die trendigen Pflanzsäcke, alte Weinkisten oder auch einfach leere Dosen. Alle Gefäße sollten natürlich einen guten Wasserabzug haben, damit es nicht zu Staunässe kommt – eine Schicht Kies oder der für Hydrokultutur übliche Blähton am Boden der Töpfe und Kästen ist da gut geeignet. Auch wichtig: Auf dem Balkon und erst recht auf Fensterbrettern alles gut vor dem Abstürzen sichern.

Balkongarten: Legt einfach los!

Natürlich ist das Ganze hier nur ein kleiner Überblick, zum Thema Gärtnern gibt es unendlich viel Literatur – jede Menge Fachwissen und Erfahrungsberichte. Das alles kann und will ich hier gar nicht abbilden, denn im Grunde geht es nur um eins: einfach loslegen! Das Einzige, was wirklich schief gehen kann: dass irgendein Pflänzchen nicht so gedeiht, wie erhofft. Aber wisst Ihr was? Das passiert mir auch noch immer wieder, obwohl ich inzwischen einen Garten habe und schon viele Jahre darin herumwerkele. Dann probiert man im nächsten Jahr eben etwas anderes – eine andere Sorte, einen anderen Standort… Alles kein Problem. Was Ihr braucht ist Freude an der Natur und, ja, das schon: ein bisschen Geduld. Das Gras wächst bekanntlich nicht schneller, wenn man dran zieht.

Kochen mit selbstangebautem Gemüse

Bei vielen Rezepten spielt die Menge des verwendeten Gemüse keine große Rolle. Also auch, wenn Ihr nur wenig Mangold, Radieschen oder Salat erntet: Ihr könnt Eure Gerichte immer damit anreichern oder einfach verschiedene Gemüsesorten mischen, wenn Ihr von einer Sorte nur wenig habt. Hier ein paar Rezeptinspirationen auf meinem Blog, bei denen Ihr die Gemüsemengen super variieren könnt:

Udon Nudel Bowl mit Miso-Cashew-Dressing

Grünkohl-Pizza mit Birnen

Socca mit Avocado, Rucola und Orange

Ofengemüse mit crunchy Macadamia

Pizza mit Spinat und frischen Artischocken

Sushi Bowl mit Gurke und Avocado

Apfeltarte – vegan und glutenfrei

Linsensalat mit Koriander, Sesam und Ingwer

Zucchini-Spaghetti mit Cashew-Sauce

Alles klar? Na, dann kann er kommen, der Sommer auf dem Balkon mit Gemüse Marke Eigenanbau. Viel Spaß wünsch ich Euch! Schreibt mir gerne Eure Fragen oder Erfahrungen unten in die Kommentare.

Und wenn Ihr an unserem Balkonkochbuch interessiert seid, schreibt es mir auch: wir haben noch welche, die wir günstig verkaufen könnten.

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